Du hast dich nicht entschuldigt. Erst jetzt, ein halbes Jahr später, ist mir das aufgefallen. Ich habe die Kommode aufgeräumt und eine alte Postkarte von dir gefunden. Wobei, was heißt „alt“ – sie stammt aus 2021, also weniger als ein halbes Jahr, bevor du gegangen bist. Aus ihr quellen die schönen Worte nur so heraus, ich sei der wichtigste Mensch in deinem Leben. Du seist immer für mich da, weil du dich so unfassbar wohl bei mir fühlst. Wir seien das beste Team der Welt.
Und jetzt? Du warst nicht da, als ich dich am meisten gebraucht habe. Du hast unser Team verlassen, wortlos, ohne mir jemals eine reale Chance zu geben, etwas zu ändern. Ich habe mir Hilfe gesucht, so wie du es dir gewünscht hast, aber ich durfte nicht mal mehr davon erzählen. Du bist einfach gegangen. Wobei, „gegangen“ ist eigentlich ein zu schwaches Wort. Du hast mich weggetreten. Bis heute hast du mich nicht gefragt, wo ich mittlerweile wohne. Und gestern? Da hattest du Geburtstag. Ich wollte dir gratulieren, aber nicht mal mehr das darf ich mehr. Was habe ich dir getan?
Nie hätte ich von dir verlangt, dass du dich entschuldigst. Wofür denn auch? Mir ging es nicht gut. Ich habe dir nicht das gegeben, was du gebraucht hättest. Anscheinend habe ich dir in den letzten sechs Jahren eine so schlimme Zeit bereitet, dass du nur noch negative Dinge im Kopf hast, wenn du an mich denkst. Aber ich habe verstanden. Habe tausende von Euro ausgegeben, unzählige Dinge ausprobiert und auch abgeschlossen, um wieder ich selbst zu sein, der, der ich vor wenigen Jahren war, weil das mein wirkliches Ich ist. Hab den Nebel weggeschoben. Weil ich dich geliebt habe und immer noch liebe. Weil ich verstanden habe, was passiert ist. Was du wirklich brauchst und ohne was du nicht leben kannst. Weil ich erkannt habe, dass eine Beziehung an einem bestimmten Punkt aufhören kann, vielleicht sogar aufhören muss, ich dich aber dennoch immer lieben werde. Weil ich davon überzeugt bin, dass man auch nach einer Trennung noch respektvoll miteinander umgehen kann. Und vor allem, weil ich dir damals versprochen habe, immer für dich da zu sein. Dieses Versprechen werde ich niemals brechen, auch dann nicht, wenn du mich mit den Worten „Du bist mir zu traurig“ stehen lässt und gehst.
Halt – dieser Satz stand aber nicht alleine. Er war gefolgt von einem „Ich kann nicht mehr traurig sein“. Ein Satz, über den ich unzählige Stunden nachgedacht habe. Der mir klar gemacht hat, dass du keine Kraft und keine Geduld mehr hattest. Ein Satz, mit dem ich mich ein Stück weit auch getröstet habe, um mir zu erklären, wie aus einem „Ich bin immer für dich da“ plötzlich ein leeres Nichts wird.
Aber – warum hast du dich dann nicht entschuldigt? „Es tut mir Leid, ich kann nicht für dich da sein, obwohl du mich brauchst.“ „Es tut mir Leid, ich liebe dich nicht mehr.“ „Es tut mir Leid, dass ich nie mit dir gesprochen habe und dir nie explizit gesagt habe, was ich brauche.“ „Es tut mir Leid, dass ich dir nie gesagt habe, was ich vom Leben möchte, sodass du dich entscheiden hättest können, welchen Weg du gehen willst.“ „Es tut mir Leid, dass ich unser Team verlassen habe. Dass ich dich alleine lasse, weil mir die Kraft fehlt.“ „Es tut mir Leid.“
Aber nichts. Gar nichts. Nur das Gefühl, als wäre ich der furchtbarste Mensch der Welt, ein Stück Abfall. Als wäre ich an allem alleine Schuld, als hätte ich mir alles, was passiert ist, bewusst ausgesucht und alles kaputt gemacht. Also hätte es nie schöne Zeiten gegeben. Und sonst? Nichts, ein großes Nichts. Du hast dich nie entschuldigt.