«Verrückt ist es dann,
wenn du glaubst,
dass dir nichts passiert,
wenn du dich nicht rührst.
Verrückt ist es erst dann,
wenn du glaubst,
dass dir nichts passiert,
solange du wartest.»
Bevor du Zeit verschenkst.
„Leben ist das, was passiert,
wenn du woanders so beschäftigt bist.
Wenn du den Wagen lenkst
und dabei dein Ziel vergisst.“
Weißt du, woran ich letzte Woche gedacht habe? Als ich fünf Minuten vor unserem Vereinsmeeting noch hektisch eine Mail beantwortet musste, während ich aus dem Augenwinkel das Skypeprogramm für heute überflogen habe? Dass mir das alles über den Kopf steigt, dass ich durch die zwölf, vielleicht vierzehn Stunden Zugfahrt und die ganzen Erlebnisse am Wochenende, so schön sie auch sind, meine Arbeit und mein restliches Leben vernachlässige und nicht mehr auf die Reihe bekomme. Dass ich doch schon im Sommer gemerkt habe, dass ich nicht mehr alle meine Aufgaben zufriedenstellend erledigen kann und jetzt noch viel weniger Zeit dafür übrig bleibt.
Und dann habe ich die Mailliste hochgescrollt. Gesehen, dass alle Nachrichten darüber bereits beantwortet und grün markiert waren. Bemerkt, dass ich für alle Punkte auf der Tagesordnung schon eine Antwort parat habe. Dass ich alles, was diese Woche erledigt werden konnte, erledigt habe. Sicherlich, die Steuererklärung hätte man auch eine Woche früher abgeben können – aber jetzt ist es erledigt, rechtzeitig, abgehakt.
Und dann, am Abend, habe ich nochmal genauer darüber nachgedacht. Ich schaffe zur Zeit nicht alles, was ich gerne möchte. Ich räume einigen Menschen zu wenig Zeit ein, insbesondere meinen Eltern. Aber faszinierend ist, dass ich trotz dazugekommener täglicher Telefonaten, trotz in der Ferne verbrachter Zeit, mehr schaffe als im letzten Jahr. Dass diese Momente des Zweifelns, des Über-den-Kopf-Wachsens, seltener geworden sind.
Mir wurde einmal gesagt, eine Beziehung sei Arbeit, tägliche Arbeit. Immer und immer wieder darum kämpfen und nicht erwarten können, dass immer alles so einfach läuft, so einfach funktioniert, ohne Zutun. Dabei dreht es sich nicht nur alleine um die Beziehung selbst, sondern auch um das Drumherum. Und ja, auch ich musste arbeiten – so leicht das meiste einfach wie von selbst auf mich zufliegt, so ohne weiteres ich mich von diesem wunderbaren Strudel einfach mittreiben lassen kann – das Drumherum musste auch ich erst einmal managen und alles unter einen Hut bringen. Ich musste lernen, dass man seine besten Freunde vernachlässigen kann, ohne es zu wollen, so wichtig sie einem auch sind. Ich musste mein Zeitmanagement verbessern, ohne Dinge wegzulassen, die mir wichtig sind. Und ja, unwichtige Sachen musste ich auch ganz streichen. Völlig reibungslos ist das nicht möglich, aber ich merke, dass es funktionieren kann und auch wirklich funktioniert.
Und dann höre ich von dir wieder so wunderschöne Worte wie heute Morgen. Merke wieder, wie du mich trägst und wie wir zusammen rennen, immer weiter die Treppen hinauf. Und es fällt mir alles wieder so leicht, ich bin auf dem richtigen Weg. Wir fliegen. Danke.
Erwartungen.
Wie trifft der Mensch Entscheidungen? Ich glaube, dass das unterschiedlich ist. Bei mir selbst hat sich das vor ungefähr acht Jahren geändert – nicht plötzlich, aber in diesem Zeitrahmen hat eine Entwicklung stattgefunden. Ich habe während dieser Zeit ein «internes Wertesystem» entwickelt, ein Gerüst. Die Entscheidung selbst treffe ich dann nach dem Prioritätensystem – der Sachverhalt wird also mit diesem Wertegerüst abgeglichen, bewertet und dann nach Priorität entschieden. Dabei spielen bei der Prioritätenverteilung natürlich Gewichtungen der einzelnen Kriterien eine Rolle, insgesamt ist das ziemlich komplex. Ganz vereinfach ausgedrückt spielt aber der Glücklichkeitsfaktor die größte Rolle – das, was mich am stärksten glücklich macht, bekommt die höchste Priorität und wird mit dem höchsten Nachdruck verfolgt.
Ich halte dieses System für das überlegene System. Alle Dinge im Leben kann man nicht schaffen, also muss man sortieren und auswählen. Wenn das dann nach den für einen selbst wichtigsten Kriterien geschieht und diese auch noch nach persönlicher Wichtigkeit geordnet werden, dann trifft man automatisch die Entscheidung, mit der man selbst am meisten zufrieden ist.
Allerdings, ein ideales System ist auch dieses Prioritätensystem nicht. Es trifft nämlich noch keine Aussage darüber, wie sehr auch niedriger priorisierte Dinge beachtet werden. Heißt «höchste Priorität», dass ausschließlich diese eine Sache verfolgt wird? Oder heißt es vielmehr, dass auch alle anderen Dinge erledigt werden, nur eben mit geringerem Zeitaufwand? Letzteres ist die bessere Lösung, lässt sich aber schwer verwirklichen, weil ab einer gewissen Priorität ein Cut erfolgen muss, unterhalb dessen alles völlig herausfällt. Nur so lässt sich die zur Verfügung stehende Zeit überhaupt einteilen, nur so verzettelt man sich nicht.
Ich tendiere öfters zu ersterer Lösung – und das birgt eine große Gefahr. Die Dinge mit höchster Priorität machen mich am glücklichsten, gleichzeitig sollten sie aber nicht dominieren, nicht allen anderen Dingen das Wasser abgraben, die Luft abschnüren, das Sonnenlicht verdecken. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass das Prioritätensystem zusammen mit dem internen Wertegerüst überlegene Entscheidungen liefert, aber es fehlt noch etwas. Eine Kontrollinstanz, die für die notwendige Balance sorgt. Die auch dafür sorgt, Problemstellungen nicht zu vergessen, deren Lösung einen gerade vielleicht nicht glücklich macht, aber langfristig einen wichtigen Effekt haben und eben auch eine Priorität besitzen, wenngleich nicht die höchste.
Ist jemandem schon aufgefallen, dass dieser Blogeintrag den Titel «Erwartungen.» und nicht etwa «Entscheidungen.» trägt? Ein Faktor, der bei Entscheidungen immer eine Rolle spielt, sind Erwartungen anderer. Egal, wie sehr man versucht, die Umwelt auszublenden – ich glaube nicht, dass das jemals vollständig möglich ist. Das erschwert natürlich die Tatsache, die beste Entscheidung für einen selbst zu treffen, gleichzeitig halte ich das aber für ziemlich genial. Andere Menschen sollten bei der Entscheidungsfindung nie die größte Rolle spielen, aber ein gewisser Anteil dabei ist gar nicht so schlecht. Sei es als Kontrollinstanz, vielleicht auch als moralisches Gewissen oder weil andere Menschen manchmal einfach eine objektivere und klarere Sicht auf einen selbst haben – man sollte diese Stimme nie ignorieren, allerdings auch nicht überbewerten, die Entscheidung muss immer noch bei einem selbst, beim Abgleich mit dem eigenen internen Wertesystem liegen.
Jetzt habe ich viel über die Theorie der Entscheidungsfindung gesprochen, doch wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Was sind die Ergebnisse? Generell bin ich mit meinen Entscheidungen ziemlich zufrieden. Klar, einzelne Sachen bewertet man im Nachhinein anders und würde sich vielleicht anders entscheiden, aber das gehört ja dazu. Mein bisher beschriebenes Vorgehen ist ja nur der Idealfall, manchmal fehlen Informationen, manchmal ändern sich Prioritäten, manchmal hatte man damals etwas ganz anderes beabsichtigt. Aber generell? Da bin ich zufrieden. Ich spüre, dass ich die für mich richtigen Entscheidungen treffe. Wirklich hingefallen bin ich auch mit keiner einzelnen Entscheidung, im Gegenteil, ich bin sogar verdammt glücklich und zum ersten Mal an einem Punkt, an dem ich sagen kann, dass ich alles erreicht habe, was mir wichtig war. Natürlich gilt das nur für diesen Augenblick, natürlich bleiben noch weitere Ziele, noch weitere Vorstellungen, die alle noch verwirklicht werden wollen. Aber im Großen und Ganzen glaube ich, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Nein, ich bin mir sogar vollkommen sicher, denn ich bin glücklich und das ist das, was mir am wichtigsten ist.
In Zukunft? Da möchte ich weiterhin mein Prioritätensystem befolgen. Ich möchte aber auch die Erlaubnis haben, auch mal falsche Entscheidungen zu treffen. Vielleicht wäre es langfristig besser, den anderen Weg zu nehmen, aber vielleicht bin ich gerade damit glücklicher, diesen Weg zu gehen? Solange man das Ziel nicht aus den Augen verliert, solange geht man in die richtige Richtung – selbst wenn man ein kleines bisschen neben der Straße im Gebüsch herumläuft und sich die Füße dreckig macht.
I’m feeling lonely…
Unbefristet.
«Unbefristet». Ein Wort, das mittlerweile einen faden Beigeschmack bekommen hat. Unbefristetes Arbeitsverhältnis (ja, das ist schön, aber da denkt man doch immer automatisch auch an Zeitarbeit und befristete Verträge). Unbefristeter Streik. Unbefristeter Notstand. Dabei kann dieses Wort doch auch so viel Schönes ausdrücken – etwas hat kein festes Ende, keine Deadline, sondern geht solange weiter, solange es funktioniert, solange es gut ist.
Heute, am 16. Februar 2016, ist das viermonatige Jubiläum meines Straight-Edge-Projektes. Und wieder so ein Wort, bei dem sich eine genauere Diskussion lohnt – «Projekt». Ein Projekt hat einen Anfangs- und einen Endpunkt, eine festgelegte Dauer. Und ein Projekt beinhaltet eine spezielle Vorgehensweise, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. All das, bis auf den festen Anfangspunkt, trifft bei mir jedoch nicht zu.
Mittlerweile ist «Straight Edge» sozusagen zu einer Lebenseinstellung geworden. Aber sogar dieses Wort passt nicht wirklich, weil es nicht gezwungen ist, kein guter Vorsatz, sondern es ist einfach gut, so wie es ist. Vielleicht höre ich damit morgen wieder auf, ohne Reue und ohne Druck. Wahrscheinlicher läuft das alles aber auch noch eine ganze Zeit weiter. Einfach, weil es mir momentan Spaß macht, so wie es ist. Es fällt mir nicht mehr schwer, das durchzuhalten, ich vermisse weiterhin absolut gar nichts. Ich denke auch nicht mehr darüber nach – dass ich an diesen Tag heute gedacht habe, war nur Zufall.
Einmal habe ich so etwas ähnliches tatsächlich schon begonnen. Wann genau das war, weiß ich nicht mehr, vielleicht vor ungefähr fünf Jahren. Ich weiß nur noch dass es ein Sommer war und ich zu dieser Zeit «Der Schwarm» von Frank Schätzing gelesen habe (interessant, an welche Punkte sich die Erinnerung knüpft). Damals aber mit dem Sinn und Zweck, ein bisschen Acht auf mein Gehirn und meine Gesundheit zu geben, Kopfweh zu vermeiden. Jetzt ist es dagegen etwas anderes. Klar, begonnen habe ich auch durch diesen einen seltsamen Absturz und das gar nicht gute Gefühl in meinem Verstand in den Tagen danach. Aber recht schnell war das doch etwas anderes. «Straight Edge» nicht um die Gesundheit zu schützen, sportlicher zu sein, keine Abstürze zu haben. Nein, «Straight Edge» einfach deswegen, weil ich Lust dazu habe. Lust daran, das zu trinken und mich so zu verhalten, wie es mir gerade eben Spaß macht. Keine Rücksicht auf andere Leute nehmen. Und ja, ich rede tatsächlich gerade von «Spaß haben», weil ich wirklich nichts vermisse, deswegen fällt mir das Ganze wahrscheinlich auch so leicht.
Nach den ganzen Monaten ist allerdings zugegebenermaßen noch ein weiterer Grund hinzugekommen – du. Nicht der Hauptgrund, das überhaupt nicht, aber ein kleines bisschen spielst du schon eine Rolle, das kann ich nicht verleugnen. Das genauer zu erklären ist etwas schwieriger, aber irgendwie… Ich möchte nicht mein Bewusstsein einschränken, dir nicht auf die Nerven gehen. Für dich da sein, ohne Einschränkungen meines Verstandes, ohne mich so zu verhalten, wie ich es eigentlich gar nicht möchte. Nicht die Kontrolle verlieren. Nicht, dass ich das sonst tun würde, aber eine kleine Einschränkung ist schon immer dabei. Wie gesagt, nur ein kleiner Aspekt bei der ganzen Sache, aber die kleinen Aspekte müssen ja nicht gerade die allerschlechtesten sein. Was ich nämlich auch gemerkt habe – «Straight Edge» spart wirklich Geld.
Ich möchte dir sagen…
…früher bin ich einfach so durch’s Leben gestolpert. Hier einmal steckengeblieben, dort einmal den Fuß angestoßen. Frohen Mutes zwar, aber wankend. Das Ziel irgendwo dort, da vorne am Horizont. Aber erst noch Umwege laufen, um die ganzen Felsbrocken herum, und dabei bloß nicht die Orientierung verlieren, nicht hier, in dieser steinigen Landschaft. Nicht hinfallen, in diesem Dickicht. Und seit ich dich kenne? Seitdem renne ich.
Morgengefühle.
Ich liebe es, neben dir einzuschlafen. Neben dem Menschen, der mir so unglaublich wichtig ist, der mir so unglaublich gut tut. Vielleicht liegt es nur daran, dass man das Einschlafen gar nicht so richtig wahrnimmt, weil das Bewusstsein sich bereits vorher im Nebel verabschiedet hat – aber noch schöner als das Einschlafen ist das Aufwachen neben dir. Wenn man die Augen öffnet, das Bewusstsein sanft wieder zurückkommt. Vielleicht gerade noch am realisieren ist, an welchem Ort man sich befindet, noch ein klein wenig den vergangenen Träumen hinterherhängt. Aber du, du bist schon da. Siehst wunderschön aus, wenn du schläfst. Oder bist schon wach und lächelst mich einfach an. Ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl beschrieben soll, diesen Zauber. Dieses wärmende Etwas, das – egal wie das Wetter draußen wirklich ist – genauso wie ein Sonnenstrahl im Gesicht den neuen Tag ruft. Und auf einmal ist eine Ruhe da, ein Moment des Innehaltens, bevor der Morgen in all seinen Farben erstrahlt. Auf, um einen neuen Tag zu beginnen.
Die haben hier ein Stück vom Bahnsteig geklaut.
RE 10625 auf dem Weg von Bochum nach Herford, oberer Teil eines Doppelstockwagens der Südostbayernbahn (wohl ein bisschen verirrt, oder?).
Auftritt türkischstämmiges Ehepaar: Die Frau rennt aufgebracht mehrmals durch den Waggon, Wortfetzen wie „Kindergeld“ dringen aus dem fremdsprachigen Wortdickicht, der Rest bleibt unidentifizierbar. Ihr Mann läuft im Mantel hinter ihr her, versucht sie aufzuhalten, stachelt sie dadurch allerdings noch weiter an. Mehrere Fahrgäste drehen sich bereits um, um eingreifen zu können, falls der Streit weiter eskalieren sollte. So etwas nennt man wohl einen handfesten Ehekrach.
Der Zug hält in Hamm in Westfalen. Durchsage, man könne wegen eines zu evakuierenden Zuges auf der Strecke momentan nicht weiterfahren, eine Verspätung von mindestens zwanzig Minuten wird angekündigt. Alltag bei der Bahn, lediglich die sehr getragen klingende Ansage des Zugführers im Thomas-de-Maizière-Stil fällt auf, bleibt aber noch nicht in Erinnerung.
Nachtrag des Zugführers: «Die deutsche Bahn wird, dessen bin ich gewiss, wie immer in diesen Fällen um ihr Verständnis bitten.»
Erstes Gelächter im Zug. Wenig später folgt die zweite Durchsage: «Meine Damen und Herren, ich muss abermals um Entschuldigung bitten, wir werden nun mit nur 5- bis 6-minütiger Verspätung den Bahnhof verlassen.»
Zwischenruf einer etwas älteren, sehr aufgebrachten Dame: «Da ist nur der Grube Schuld, alles wird kaputtgespart! Brennender Zug, wenn ich das schon höre… im 21. Jahrhundert!»
Zugführer: «Ach, und dann hab ich da noch was vergessen…» Der Unterhaltungsfaktor steigt.
Wenig später, Abbremsen von der etwas unsanfteren Sorte. Durchsage: «Ich bitte den etwas ruckartigen Halt zu entschuldigen, die haben hier ein Stück vom Bahnsteig geklaut.»
Zwischenruf Dame: «Vor der Wende war alles besser, Kapitalismus ist scheiße!»
Ansage Zugführer: «…wird dieser Zug erst einmal leider nicht weiterfahren. Eine genaue Zeit kann ich Ihnen leider nicht mitteilen. Der vorhin erwähnte defekte Zug ist jetzt hier im Bereich zwischen Neubeckum und Oelde, dort ist die Strecke immer noch gesperrt. Grund hierfür Feuerwehreinsatz und Evakuierung dieses Zuges. Optionen, wie es jetzt hier weitergeht, gibt es zwei: Die eine ist, mit entsprechender Verspätung weiterzufahren, in Richtung Bielefeld/Minden, die nächste wäre mir genannt worden, dass dieser Zug hier wieder in Richtung Düsseldorf fährt. Wann welche Entscheidung getroffen wird, kann ich Ihnen leider auch nicht mitteilen.»
Dame geht auf drei junge Männer, augenscheinlich Studenten, zu: «Stimmt doch, oder? Kapitalismus ist scheiße!»
Ansage Zugführer: «Aufgrund der Schwierigkeiten wegen des liegengebliebenen Zuges wird hier in Rheda-Wiedenbrück unser Zug durch die Güterbahn umgeleitet, damit kommen wir hier in Rheda-Wiedenbrück an keinen Bahnsteig mehr. Aus diesem Grund wird der Verkehrshalt Rheda-Wiedenbrück für diesen Zug ausfallen. Reisende mit dem Ziel Rheda-Wiedenbrück werden gebeten, diesen Zug bis Gütersloh weiter zu benutzen und ab Gütersloh mit den Zügen in der Gegenrichtung, die dann hoffentlich auch bald wieder laufen, wieder nach Rheda-Wiedenbrück zurückzuführen.»
Hysterischen Kreischen der türkischen Frau. Ach, die beiden sind ja auch noch da. Ein Zugbegleiter, ebenfalls fremdländische Wurzeln tritt auf: «Tragen Sie Ihren Ehestreit von mir aus bei sich zu Hause aus, aber nicht hier in der Öffentlichkeit, in meinem Zug! Hier haben sich schon Fahrgäste beschwert, weil sie sich von Ihnen gestört fühlen.» Der Mann erwidert störrisch etwas, das wie «Ja, aber meine Frau hat doch…» klingt, gibt aber dann doch klein bei.
Durchsage Zugführer: «… auch wieder kurzfristig verzögern, Grund hierfür ein Intercity der Gegenrichtung, der unseren Fahrweg kreuzt… Wenn ich das richtig sehe, fährt der aber schon dort hinten in Rheda-Wiedenbrück aus diesem Gleisbereich heraus, dass also die Verzögerung, die zusätzliche Verzögerung, gering bleiben wird.»
Kurz vor Gütersloh dann eine Frauenstimme per Lautsprecher, vielleicht ist sie für die Anschlüsse zuständig, vielleicht hat der Zugführer keine Lust mehr. «Fahrgäste, die nach Rheda-Wiedenbrück möchten… also müssen… Sie haben jetzt Anschluss an…»
Deutsche Bahn, manchmal bist du besser als jedes Kinoprogramm.
Ode an den Kaffee.
Du Kaffee. Es beginnt mit einem heißen Gefühl an den Lippen, einem sanften Milchgeschmack. Für einen kurzen Moment passiert nichts, wie wenn du dich einen Augenblick lang sammelst, einmal tief durchatmest, während du dich samtig über die Zunge legst. Doch schon kurz danach folgt dann die Explosion – ein leicht herber Geschmack schießt von unten heran, durchbricht rasend die milchige Schaumkrone, es siedet, es brodelt, es lärmt. Der unschuldige weiße Milchgeschmack kann der Kraft nicht mehr standhalten, er zerberstet, zerbricht in tausende Teile, die hinweggerissen werden, hin zu den Geschmacksknospen und diese überfluten.
Nach einer Weile des Bangens dann, ob sich die zitternden Holzwände der schieren Gewalt widersetzen können, da ebbt die Sturmflut langsam wieder ab. Startet letzte zaghafte Versuche, die Mauer zu durchbrechen und wütet immer schwächer und schwächer. Zieht sich allmählich wieder zurück, wird vom sanften Druck der warmen Milch wieder verdrängt, die die Bruchstücke mit sich nimmt, sie in ihren Wellen verschwinden lässt und nichts als sanften Nebel hinterlässt.
Nein, es ist kein süßer Strudel, der dich betäubt und der dich keine Schmerzen spüren lässt. Der dich immer weiter zu sich hineinzieht, deine spitzen Freudenschreie dämpfend. Der dich von der Umwelt abschottet, dich verschwinden lässt und dich mit seinen süßen Armen wohlig und warm festklammert.
Es ist wie eine kurze kräftige Umarmung, mit großen Händen fest zudrückend. Ein knorriger, vielleicht etwas unbeholfener, Kommentar. Wie das Kratzen einer Plattennadel, das Jucken von Bartstoppeln. Das Knarzen des alten Dielenbodens, wenn du nach langer Zeit wieder das Haus deiner Kindheit betrittst. Wie die abblätternde Farbe am Holzzaun, wie das Quietschen des angerosteten Gartentors, das deinen Besuch bereits ankündigt. Wie der Spreißel, der sich in deine Haut bohrt, wenn du mit deinen Fingern das Geländer abfährst. Es beißt, aber du weißt, dass es echt ist. Du weißt, dass du hier immer willkommen bist. Auch wenn sich vielleicht andere Dinge verändert haben, hier bist du gut aufgehoben. Du bist daheim.
Feelings | Cappuccino @ Schwarze Kiste
Guten Morgen.
Gute Morgen, meine Liebe.
Ich habe gut geschlafen, ganze neun Stunden lang. Ausgeschlafen. Ich wünsche mir, dass auch du gut geschlafen hast, dich ausruhen konntest, schöne Träume hattest. Aber ich weiß es nicht, da fehlt nämlich jemand neben mir. Jemand, der mir in die Augen schaut, jemand, der mich anlächelt. Jemand, dem ich nichts erzählen muss, sondern der einfach weiß, wie es mir geht, der mich einfach versteht. Du fehlst. Und doch verliere ich meine gute Laune nicht, lächle, als ich mein Handy gelb blinken sehe. Bis bald, du wunderbarer Mensch, ich liebe dich.
